Interview mit Andreas Kleinert

(SView 5)

Hallo Andreas, vielen Amiga User bist Du als damaliger Entwickler von SView natürlich ein Begriff,

bitte stelle Dich dennoch einmal kurz vor, für die anderen Leser.

Hierzu verweise ich auf die Interviews aus dem Jahre 2000 und 2002.


Neben Deinen akDatatypes, ist natürlich SView 5 damals Dein Steckenpferd gewesen.

Was hat SView 5 von den anderen Amiga Programmen abgehoben und was zeichnet SView 5 bis heute aus?

SView5 (bzw. seine Vorgänger) war im Kern sehr generisch, was sich auch in der Benutzeroberfläche wiedergespiegelt hat.

Sie war nie wirklich gut für einen bestimmten Zweck geeignet.

Die Engine dahinter, die SView5-Library (bzw. deren Vorgänger) haben jedoch den Unterbau für eine Reihe anderer Programme zur Verfügung gestellt, wie z.B. PictureManager oder ImageEngineer.

Hier war die frühe PPC-Unterstützung sicherlich sehr hilfreich und populär.

Letztlich waren die Datatypes ein davon inspirierter ein Spin-Off .


Wenn Du heute an Deine Anfangszeiten mit dem Amiga zurück denkst, was ist Dir besonders in Erinnerung geblieben?

Man sagt immer, mit dem Amiga wäre vieles einfacher und transparenter gewesen.

Das ist sicherlich etwas beschönigend, weil der Einstieg nicht unbedingt einfach war

und am Ende ebenfalls jede Menge Expertenwissen in allen Bereichen nötig war.

Allerdings war die Systemkomplexität überschaubarer als heute und man konnte, den Ersteinstieg vorausgesetzt, 

schneller erste Erfolge erzielen.


Was würdest Du aus heutiger Sicht, vielleicht anders machen als früher?

Ein konsequenter Bruch mit dem System zu einem früheren Zeitpunkt wäre sicherlich besser gewesen.

Nach den verschiedenen Pleiten hat sich die Nutzerschaft stark verringert und das System technisch zu stark

fragmentiert, ohne dass noch viel an Innovationen gekommen wäre, die das Potential gehabt hätten, Breitenwirkung zu erzielen.

Wenn man noch weiter zurückgeht, hätte ich vielleicht andere Schwerpunkte bei der Entwicklung gesetzt

und auch andere Lizensierungs-ansätze verfolgt.


Was hat der Amiga für Dich ausgezeichnet?

Was waren die Vor und Nachteile vom Amiga (OS)?

Die Modularität das OS mit klarer Anlehnung an Microkernel-Designkriterien war sicherlich sehr gut - etwas, wo Linux heute

noch nicht richtig angekommen ist, und auch Windows Probleme hat - wie auch die recht elegante und konsequente Lösung der Abwärtskompatibilität bei den Libraries über entsprechende Vorgaben und Style Guides.


Andererseits ist Effizienz in vielen Bereichen lange nicht sehr gefragt gewesen - leider genau in denen, auf die AmigaOS gezielt hat.

Für den Embedded-Bereich dagegen passte es nie so richtig.

Wenn man sich mal überlegt, wie lange es bei Windows gedauert hat, bis der Code mal optimiert wurde - vor Windows7 bzw. 8

(und Tablets mit RT) war das nie ein Thema, da jedwede Hardwarekomponente immer leistungsfähiger

und daher im Schnitt immer billiger wurde.


Die Nachteile liegen genau in den Bereichen, wo OS4 heute versucht nachzubessern. 

Leider geht das nicht ohne Brüche speziell bei Speicherschutz, Resourcetracking oder eben genau bei der ursprünglich

sehr schlanken Eleganz des Microkernels.

Das war aber bereits lange absehbar und war und ist daher ein untrügliches Zeichen, dass sich ein System überlebt hat.


Besitzt Du noch Deinen Amiga Rechner?

Nein.

Aber Backups und die Möglichkeit, eine Amiga-Emulation zu nutzen.

Ist nur schon länger nicht mehr passiert.

Selbst dort ist vieles nicht mehr so stabil, wenn man RTG und höhere CPUs emulieren nöchte.

Und so schnell ist die Emulation im Vergleich auch nicht.

Das macht eigentlich keinen richtigen Spass.

Mit Familie und Kindern hat man andererseits auch nicht genügend Platz, um noch jede Menge

Legacy-Hardware herumstehen zu haben (ich jedenfalls nicht).

Von der Zeit ganz zu schweigen.


Wann kam für Dich persönlich Dir Moment wo Dir bewusst wurde,

die Entwicklung Deiner Amiga Software einzustellen und was waren die Gründe schlussendlich?

Am Ende standen die Einnahmen in keinem Verhältnis mehr zum Zeitaufwand

- die Zeit an sich war jedoch immer knapper und es gibt schliesslich

auch anderer interessante Hobbies bzw. die Familie und Freunde.

Da muss man sich irgendwann entscheiden.

Der Spaßfaktor war jedenfalls auch kaum noch gegeben.


Ein Beispiel: nur eine kleine Änderung an einem Datatype und man muss theoretisch 3-4 Systemconfigs selbst komplett durchtesten

- oder das aufwendig automatisieren - und dann am Besten noch einige andere Leute bitten, das Gleiche zu tun.

Wenn man das hauptberuflich macht ist das in Ordnung, aber so...


Was hätte Deiner Meinung nach passieren müssen, damit der Amiga nach dem Ende von Commodore 1994 noch eine Chance, neben dem PC gehabt hätte?

Einen neuen Eigentümer, der ähnlich rigoros das System umgebaut hätte,

wie später Apple mit seinen 2-3 Migrationen (68, PPC, x86 / ARM)


Verfolgst Du heute noch die Geschehnisse Rund um den Amiga?

Ja, teilweise.

Vom Spielfeldrand.


Im Jahr 2014 hast Du den Quellcode von SView 5 zum Verkauf angeboten, was ist daraus geworden?

Nichts.

Ich denke, im Amiga-Bereich ist niemand mehr in der Lage, entsprechend zu investieren - und außerhalb herrscht der Glaube vor,

man habe ja genug OpenSource-Bibliothemen, um ähnliches leicht realisieren zu können.

Das ist häufig ein Trugschluss (Debugging kostet viel Zeit und das Integrieren fehlender Features ebenfalls) aber

letztlich sind das übergreifende Trends, denen man sich schwer entziehen kann.


Entwickelst Du noch in Deiner Freizeit?

Ich habe im Prinzip alles auf Windows (Linux) portiert und habe bis vor 2 Jahren noch sehr aktiv daran entwickelt.

Das ist weniger geworden.

Mit Visual Studio ist das jedoch sehr einfach und portabel möglich, so dass ich es als gelegentliches Hobby oder Training sehe.

Eben um nichts zu verlernen, am Ball zu bleiben und technisch mitreden zu können.

Das geht am Besten, wenn man hier und da mal Dinge ausprobiert und hinter die Kulissen schaut.


Deine letzten Worte an die Leser?

Jeder sollte das tun, was ihm Freude bereitet und/oder womit er seine (privaten und beruflichen) Ziele verwirklichen kann.

Das theoretisch kann alles sein, und vielleicht für viele heute auch immer noch AMIGA in allen seinen Ausprägungen.

Letztlich besteht das Leben des Einzelnen aus der Summe all seiner Erinnerungen und Erfahrungen - und für viele gehört das einfach dazu. Weiterhin viel Spass damit!

 

© Amiga Arena 04/2015