Interview mit Thomas Dorn

(XiPaint)

Hallo Thomas, kannst Du bitte etwas über Dich und Deinem Amiga Werdegang erzählen?

Wie ich 15 war, habe ich von einem ZX80 im Selbstbau gelesen.

Den habe ich ich mir damals zusammen gespart.

Damals war löten noch Standard.

Ein paar Jahre später folgte der C64.

Auf dem programmierte ich in Basic das erste Buchhaltungsprogramm.

Noch ein paar Jahre später - ich landete in Wien zum Studieren - besorgte mein Freund einen Amiga 1000 - und ich einen 500er.

Wenige Monate fing ich bei Commodore als freier Mitarbeiter an.

Dort war ich für Amigasoftware die per BTX verteilt wurde, zuständig. Und natürlich Für Messen.

Folder etc. machte ich damals mit Professional Page am Amiga.

Irgendwann kam Herr Köhler, ein anderer  Entwickler zu Commodore, und er stellte seine 24 Bit Grafikkarte vor.

Nur gab es keine Software dafür.

Das war dann die Geburtsstunde von Xipaint.


Wenn Du so zurück denkst, was hat den Amiga für dich damals so besonders gemacht 

und was verbindest Du mit dieser Zeit?

Der Amiga war Revolutionär. Erschwinglich. Schnell. Flexibel. Und es passte in die Zeit.

Es war der Umbruch von Hacker-Kiste auf professionelle Plattform.

Plötzlich gab es eine Spielkonsole, die genauso ein Bürocomputer war.

Die Zeit war noch euphorisch!

An jedem Eck etwas neues!

  

Wie bist Du zum programmieren gekommen und wie hast Du es erlernt?

Learning by Doing.

Das war mit dem 64er so. Und beim Amiga nicht anders.

Ein paar Markt und Technik Hefte haben dabei geholfen.

Später dann von der Uni die Fortran/C/Pascal/Modula - Bücher - und einfach ausprobiert.

Für mich war programmieren immer der interessantere Teil - nicht das Spielen.


Wann hast Du angefangen, auf dem Amiga zu entwickeln und was war Dein erstes Programm?

Das erste Buchhaltungsprogramm gab es 1983, ebenso kleine Programme,

die das Leben in der Schule leichter machten.

1989 Kam XiPaint dran.

Das war dann auch mein erstes kommerziell vertriebenes Programm.


Was waren für Dich die Vor und Nachteile vom Amiga(OS)?

Das Multitasking war für mich immer schon der große Durchbruch.

Mehrere Fenster gleichzeitig mit verschiedenen Tasks laufen lassen.

Die Nachteile: die miese Auflösung. Und die Fehler Commodores.


XiPaint gehörte Anfang der 90er Jahre zu den beliebten 24 Bit Malprogrammen für den Amiga,

 wie bist du auf die Idee gekommen ein Malprogramm zu entwickeln und warum?

Es gab niemanden, der ein Programm für 24 Bit Grafikkarten programmiert hat.

Dummerweise kam dann fast zeitgleich TV-Paint auf den Markt.

Ebenfalls ein gutes Programm - aber sehr teuer.

Ich habe damals Spaß an der Entwicklung gehabt - und Herbert und ich konnten uns damit gut weiter entwickeln. 


Was waren die größte Herausforderung bei der Entwicklung von XiPaint?

Die Oberfläche.

Es gab ja keine Amiga-Unterstützung für 24 Bit.

Also musste ein Ersatz-Betriebssystem her.

Herbert Beilschmidt hat das programmiert.

Ich habe gesagt, was wir brauchen, er hat gesagt, welche zugrunde liegenden Funktionen und Grafiken fehlen.

Das habe ich programmiert oder gezeichnet.

Natürlich gab es viele andere Hürden: Fill Routinen neu entwickeln, eine neue Akima-Interpolation.

Auch das Airbrush-Konzept war neu - und könnte heute noch bestehen!


Welche Besonderheiten bez. stärken würdest Du hervorheben, die XiPaint anderen Amiga Programmen seiner Zeit voraus hatte?

Die Flexibilität.

Es war Makro bzw. Rexx-Steuerbar.

Den Leuchttisch oder die Brushes gab es in der Form damals nicht.

Die Treiber für die Grafikkarten waren libraries.

Die konnte jeder, der wollte, selber dazu programmieren. 


Welche Nachteile hat XiPaint bez. was hättest Du gerne noch an Features Umgesetzt?

Es wurde nie auf andere Plattformen übertragen.

Von den Features hat nicht viel gefehlt.

Vielleicht eine bessere Layer-Verwaltung.

Da und dort ein Fresh-Up.


Wie ist es zu dem Kommerziellen Vertrieb mit der Stefan Ossowski (Schatztruhe) damals gekommen?

Die Schatztruhe war nicht meine Haupteinnahmequelle.

Im Gegenteil.

Die Schatztruhe kam erst sehr spät.

Am Anfang hieß das Produkt VD2001 - Nach der Grafikkarte von Herrn Köhler.

Dann kam Macrosystem auf mich zu, und fragte mich, das Produkt auf die Retina zu adaptieren.

DAS war der Durchbruch.

Wir legten XiPaint zu jeder Retina dazu, ich bekam - wenn ich mich recht entsinne - 1 DM pro verkaufter Retina.

Das war fair und gutes Geld.

Dadurch wurde Xipaint zig Tausend mal verkauft.

BSC kam dann auf die Idee, dass ich einen Amiga-Mode einbauen sollte (Ham6 Ham8 und 256 Farben) - das Produkt 

nannte sich Truepaint - war aber eher ein Flop. 

Macrosystem orientierte sich dann von Amiga auf Casablanca um, und zu diesem Zeitpunkt bekam Herr Ossowski das Xipaint.


Warst Du mit dem Kommerziellen Erfolg von XiPaint zufrieden?

Ja, durchaus.

Vor allem, dass es in über 20 Sprachen erhältlich war, auch in Japanisch.

Das war durchaus auch lustig, die Kanjis einzubauen.


Weist Du ungefähr wie viele Einheiten damals verkauft wurden?

Puh - 20.000 ? Oder mehr?


Wie hoch schätzt Du den Verlust durch Raubkopien von damals ein?

Kaum.

War mir auch egal.

Ich glaube nicht, das ein Produkt, wenn es richtig vermarktet wird, einen Überhang an Raubkopieren hat.

Ich habe bewusst keinen Kopierschutz eingebaut.


XiPaint 4.1 wurde damals in Aussicht gestellt, erschien aber nie, was waren die Gründe dafür?

Es gab keinen Amiga Markt mehr!

Und 24 Bit Programme verkauften sich so gut wie gar nicht.


Wann kam dir zum ersten mal der Gedanke die Entwicklung von XiPaint bez. das programmieren auf dem Amiga 

einzustellen und was waren die Gründe dafür?

Schlicht: kein Markt.

Macrosystem beschäftigte mich noch mit Akaba - der Casablanca-Version.

Dann gab es einen Relaunch von Casablanca - den habe ich irgendwie verschlafen - ich war damals bei Siemens und habe für die Eisenbahn ein Stellwerk am Amiga programmiert.


Besitzt Du noch einen Amiga, wenn ja welches Modell bez. welches Modell hast Du besessen? 

Oh - ich habe nahezu alle Modelle in meinem Museum.

Die Dracos waren meine langlebigsten Modelle, auf denen ich extrem viel entwickelt habe.


Was hätte Deiner Meinung nach passieren müssen, 

damit der Amiga nach dem Ende von Commodore 1994 noch eine Chance, neben dem PC gehabt hätte?

Commodore hätte Lizenzen der Grafikchips hergeben müssen.

Statt PC die Unix-Schiene unterstützen.

Und bei Atari nicht Gegenspieler, sondern Bittsteller für Software sein sollen.


Verfolgst Du heute noch die Geschehnisse Rund um den Amiga?

So weit ich Zeit habe - ein wenig.

Leider ist Zeit das teuerste Gut damals hatte ich mehr Zeit für alles.


Hast Du in irgendeiner Form, heute noch etwas mit dem Amiga zu tun?

Es laufen noch die Stellwerke mit dem Amiga.

Aber sonst ist alles eher auf Museum zurück gefahren! 


Deine letzten Worte an die Leser? 

Ich danke alles Lesern - und hoffe, das die eine oder der andere mal einen Blick auf die damalige Hard - und Software macht.

Ein Betriebssystem mit Multitasking, Grafik wie ein modernes System, das Library-Konzept, die Filmsysteme - und all das auf

ein paar hundert Kilobyte!

Da könnte sich so manche Softwareschmiede eine Scheibe abschneiden!


Thomas Dorn, Wien, 24.4.2015


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