Interview mit Bernhard Aichinger

(Beambender)

Hallo Bernhard, kannst Du bitte etwas über Dich und Deinem Amiga Werdegang erzählen?

Ich hatte das erste Mal mit 10 Jahren einen Computer, das war natürlich der C64 anno 1986.

Wann genau ich den Amiga 500 kriegte, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr, aber ich denke es waren 5 bis 6 Jahre später.

Schon damals hat mein Bruder (Robert) sich dafür interessiert: Wie funktioniert es?

Und mich hat interessiert: Wie sieht es aus?

 

Wenn Du so zurück denkst, was hat den Amiga für dich damals so besonders gemacht und was verbindest Du noch heute mit dieser Zeit?

Es waren natürlich die überragenden 4096 Farben, die bessere Auflösung und die Musikqualität, die mich damals wirklich faszinierten.

Der Amiga hatte natürlich auch durch die Workbench eine optische Benutzeroberfläche.

Das war für mich Aufbruchsstimmung, ich hatte durch Tools wie Deluxe Paint die Möglichkeit detailliertere Grafiken zu erstellen.

 

Was waren für Dich die Vor und Nachteile vom Amiga(OS)?

Damals habe ich mich nicht wirklich damit auseinandergesetzt, aber im Nachhinein waren es möglicherweise die fehlenden Anwendungsprogramme oder wohl eher die Firmenführung welche den Amiga sehr schnell in die Spielekonsolenecke schoben.

Hardware- und Betriebssystemseitig gab es keinen Grund nicht Verwaltungs-, Bürosoftware

oder andere Anwendungen zu schreiben (für ein breitestes Publikum).

 

Wann hast Du angefangen, auf dem Amiga Dich mit Musik und Grafik zu beschäftigen

und welche Software hast Du dazu verwendet?

Ich habe mir, nachdem ich den Amiga erhielt, sehr früh Deluxe Paint gekauft um mir Schritt für Schritt das Zeichnen und Animieren beizubringen.

Mit Trackern setzte ich mich erst auseinander, als wir wussten wir wollen ein Spiel umsetzten.

Weil ich niemanden kannte, der sich mit Musiksoftware auskannte und der Tracker, den ich benutzt habe freie Software war,

war das komponieren anfangs „Trial and Error“.

Wir nahmen damals auch Mark (Schulkollege von Robert) mit ins Boot weil er Keyboard spielen konnte.

 

Wann seid Ihr auf die Idee gekommen "Beambender" zu entwickeln und was hat Euch dazu bewegt?

Wann wir uns genau dazu entschlossen haben ein Spiel zu entwickeln, kann ich nicht mehr genau sagen, ich denke es gab keine Initialzündung. Robert programmierte schon länger (unter anderem ein Minesweeper für den C64) und ich zeichnete auch bereits seit einiger Zeit auf DPaint.

Irgendwann wurde Beambender immer konkreter.

 

Welches Spielprinzip verfolgt "Beambender" und gab es gewisse Einflüsse von anderen bekannten Spielen?

Robert hat eine Zeit lang Deflector gespielt, und wollte etwas Ähnliches machen.

Also: Laserkanone feuert Strahl, der über verschiedene Spiegel gebrochen wird in einen „Kristall“.

Dann kam die Erweiterung mit verschiedenen Farben dazu. A

m Ende hatten wir Ausgangs- und Endpunkte der Laser auf dem Spielfeld und das in vier Farben mit diversen Spiegeln, Umfärben, Farbschranken, Goodies, etc.

 

 

Unter welchen Umständen und mit welcher Hard bez. Software wurde "Beambender" entwickelt?

Wir gingen alle noch zur Schule daher wurde fast nur in den Ferien daran gearbeitet, also war die Arbeitszeit an beambender vielleicht nicht so lang für ein Erstprojekt, verteilte sich aber über einige Ferien.

Wir arbeiteten auf einem Amiga 500 und später dann auch einem 1200er.

Bei der Software bin ich mir nur sicher, dass wir auf DPaint III gezeichnet haben, Programmierungsumgebung und Musikprogramm kann ich nicht mehr nennen.

 

Gab es bei der Entwicklung irgendwelche Herausforderungen oder Schwierigkeiten?

Es war unser erstes Projekt.

Wir hatten keinen Plan was wir taten!

Über den Vertrieb machten wir uns erst Gedanken, als das Projekt fertig war.

Über Positionierung gar nicht.

Ich denke, wenn wir vorher den Markt etwas evaluiert, und einen Zeitplan entworfen hätten,

hätte das Endprodukt anders ausgesehen.

 

Wie kann man sich die Aufgabenverteilung und die Zusammenarbeit damals vorstellen?

Robert war für die Programmierung und das Leveldesign zuständig.

Mark und ich kümmerten uns um die Grafiken, die wir gemeinsam an einem Amiga erstellten.

Musik machte jeder für sich und natürlich entwarfen auch wir Level für beambender.

 

Wie lange habt Ihr für die Entwicklung von Beambender gebraucht? (Amiga/PC)

Das kann ich nicht mehr abschätzen.

Ich weiß nur, dass beide Versionen schon eine Weile fertig waren, bis wir überhaupt einen Vertreiber fanden.

 

1997 wurde "Beambender" veröffentlicht, 1994 ging Commodore in Insolvenz,

habt Ihr da noch wirklich an einem Erfolg von "Beambender" geglaubt?

Nicht wirklich, für uns war es vor allem ein Projekt, bei dem wir überhaupt erst lernten, was man alles für die Spielentwicklung benötigt.

 

Hat sich im Nachhinein, die Entwicklung für den Amiga damals noch ausgezahlt?

In unserem Fall ja, weil es Abläufe und Prozesse gibt, die systemunabhängig auf jede Spiel-, oder Projektentwicklung zutreffen.

 

Gibt es bestimmte Momente, an die Du Dich gerne zurück erinnerst aus dieser Zeit?

Ich denke die beiden Treffen als wir das erste Mal bei Max Design und mit einem späteren Projekt bei Sunflowers vorstellig wurden.

Das war der Punkt wo wir Feedback von Branchenerfahrenen Teams erhielten.

Für mich persönlich waren das sehr wichtige Momente.

 

Weist Du noch, wann der Moment für Dich kam, den Amiga zu "verlassen."?

Ich habe das nicht einmal selbst entschieden, es gab schlicht und ergreifend keinen Vertreiber mehr,

der Amiga-Spiele ins Portfolio aufnehmen wollte, und alle die ich kannte, hatten auch irgendwann keinen Amiga mehr.

 

Besitzt Du noch einen Amiga, wenn ja welches Modell bez. welches Modell hast Du besessen? 

Nein.

Ich hatte einen 500er und einen 1200er.

Letzteren mit einer Hardwareextension (Aura) zur Tonaufnahme und Tonbearbeitung. 

 

Hast Du in irgendeiner Form, heute noch etwas mit dem Amiga zu tun?

Ich schmökere von Zeit zu Zeit für ein paar Minuten durch das ein oder andere Walkthrough auf Youtube,

aber das zählt wohl kaum.

 

Was hätte Deiner Meinung nach passieren müssen, damit der Amiga nach dem Ende von Commodore 1994 noch eine Chance, neben dem PC gehabt hätte?

Eine Neupositionierung ist immer eine Marketingherausforderung und geht meist schief.

Ich hatte damals zu wenig Einblick in den Markt, die Zielgruppenentwicklung

und die Strategien der Unternehmen um heute eine adäquate Antwort abzugeben.

 

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit "Verkosoft" bez. "Topware"?

Die Kontakte kamen über Max Design und Sunflowers zustande.

Max Design vertrieb nicht selbst und für Sunflowers war beambender zu klein,

daher wurde der Kontakt zu Verkosoft und Topware hergestellt.

 

Sind Dir irgendwelche Verkaufszahlen bekannt?

Leider nein.

Weder für Amiga noch PC.

Bei letzterem vergaben wir die Vertriebsrechte für eine Pauschale,

damit „mussten“ wir seitens Vertreiber auch keine Zahlen mehr erfahren.

 

 

Wie darf man sich die Umsetzung für den PC vorstellen?

Das ging erheblich schneller.

Jeder wusste was zu tun ist, und ich hatte damals bereits Brilliance auf dem 1200er und ein Modultracker für meinen Macintosh.

So habe ich damals mit einem Mac und einem Amiga die Grafik und Musik für ein PC Spiel gemacht.

Mein Bruder programmierte damals auf einem Pentium.

 

Gibt es Unterschiede zwischen der Amiga und PC Version?

Ja, das Handling im Spiel selbst wurde in der PC-Version vereinfacht.

Wir entschieden uns auch dagegen die Level in Units zu 5 Level zusammenzufassen,

und man konnte die Hintergrundmusik vor jedem Level auswählen.

Die Level selbst blieben aber gleich.

 

"Beambender" läuft heute nach 23 Jahren Rückstandslos Unter Windows 10, bis auf den Soundtrack, das ist nicht Selbstverständlich, woran liegt es?

Mein Bruder hat, wenn er programmierte, immer darauf geachtet,

dass sein Code soweit als möglich aufwärts- und abwärts kompatibel war.

Er hat etliche Bücher über C64-, Amiga-, und PC Hardware, Assembler, Basic, C, C++, etc.

Er hat immer zuerst die Hardware studiert und so lange optimiert, bis der Code quasi schusssicher war.

Die Verbindung zwischen System und Spiel sollte so gering als nur möglich sein.

Das war zeitaufwendig, aber Software die über 20 Jahre stabil läuft muss man lange suchen.

 

Wie Erfolgreich war die PC Version zu jener Zeit?

Das Wort Erfolg würde ich nicht benutzen.

Die Bewertungen waren nicht übel, aber es gab damals, so denke ich, einfach kein großes Interesse an Knobelspielen mehr.

Und beambender wirkte schon etwas gealtert, das war sicher auch nicht hilfreich.

 

Bei der Gründung von "Blue Lemon Studio" ist es ja nicht geblieben, wie ging es nach "Beambender" mit Euch weiter?

1998, als die PC-Version von beambender in den Vertrieb ging starteten wir unser nächstes Projekt.

Es handelte sich um ein physikbasierendes Action/Reaktionsspiel mit neuartiger Maussteuerung.

Die Idee fand allgemein Gefallen bei den Vertreibern, aber war dennoch nicht überzeugend genug, sodass es jemand produzieren wollte. Wir waren bereits im Jahr 2000.

Danach versuchten wir noch einen beambender-Nachfolger mit auswählbaren Leveln, Leveleditor und einer Reihe Neuerungen,

aber das stellten wir schnell wieder ein weil wir ein größeres Projekt brauchten, wenn wir in der Spielebranche Fuß fassen wollten,

also trommelte mein Bruder einige Studienkollegen zusammen, damit wir ein schlagkräftiges Team werden,

dieses Projekt sollte ein Strategiespiel mit größtmöglicher Konfigurierbarkeit der Einheiten werden.

 

Aber hier trafen zu viele Meinungen aufeinander, und jeder wollte in unterschiedliche Richtungen.

2001/2002 kamen wir in Kontakt mit einem Team, dass an einem Myst-ähnlichem Spiel arbeitete,

dass wir mit Grafik und Musik unterstützen konnten, leider versandete auch das Projekt.

 

2003 hatten wir dann die Chance bei einem Wettbewerb mitzumachen: dem Games-Academy-Award.

Wir gestalteten ein Jump’n’Run in Flash mit den bekannten Figuren der m&m’s-Werbung, hier war mein Bereich nur die Animation der Figuren, Outro/Intro-Animation und die Musik.

Mark machte den Großteil der Grafik und des Leveldesigns, und Robert programmierte wieder.

Wir gewannen zwar, aber konnte danach keine Aufträge für Flashanwendungen oder Adgames an Land ziehen.

2004 schieden Mark und Robert aus.

Unser Hauptaugenmerk lag seit 2000 zunehmend auf Prospekten, Foldern und Webdesign, so machte ich noch ein Jahr weiter,

bis sich Ende 2005 die Tore für BLS schlossen.

Heute arbeite ich als Freelancer für Werbeagenturen, und habe wieder mit kleineren Spielen, die ich mit Unity umsetze, begonnen.

 

Deine letzten Worte an die Leser?

Berühmte letzte Worte? Die reiche ich nach wenn ich richtig alt bin. 

 

 

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