Interview mit Achim Stegemann

(Digital Almanach III)

Hallo Achim, vielen Amiga-Usern bist Du als damaliger Entwickler von Digital Almanac (DA III),

dem Astronomieprogramm, natürlich ein Begriff.

Bitte stelle Dich dennoch einmal kurz für die anderen Leser vor.

Ich heiße Achim Stegemann, bin mittlerweile 47 Jahre alt und war in den 90ern bis vor 10 Jahren in

der Amiga-Programmiererszene aktiv.


Wie eingangs erwähnt, hast Du über viele Jahre Digital Almanac entwickelt.

Was zeichnet Digital Almanac aus und welche Besonderheiten würdest Du hervorheben?

Reden wir mal in der Vergangenheitsform über DA, denn die Fähigkeiten eines Classic-Amigas sind im Vergleich

zu heutigen grafischen Standards wahrlich nicht mehr das Gelbe vom Ei.

DA war das damals einzige Programm, welches die damaligen Grafikkarten im 16/24bit Farbmodus und den PowerPC

mit bis zu 128 MB RAM konsequent ausnutzte.

Während die meisten damals bekannten Astronomieprogramme noch kleine Sternendatenbanken hatten und höchstens AGA unterstützten, setzte ich damals das Niveau noch oben und versuchte mit DA auch High-End-Amigas auszureizen.

Besonders stolz bin ich auf die vielen integrierten Datenbanken, sehr exakte Berechnungen der Planetenkonstellationen

(ergo: präzise Finsternis-Berechnungen), Animationsmodus und die Möglichkeit, a

ndere Beobachtungsorte als die Erde zu wählen.


Im Jahr 2005 erst, also weitaus später als die meisten anderen kommerziellen Entwickler,

hast Du Dich entschlossen die Entwicklung von DA III einzustellen und warst so

freundlich und hast Deine Software als Vollversion freigegeben sowie den Source Code veröffentlicht.

Was waren damals deine Beweggründe und was ist aus den Sourcen geworden?

Es waren mehrere Gründe, welche recht zeitgleich stattfanden.

Das Studentenleben war vorbei, wurde (und bin) vollzeitlich berufstätig und da ist eine Familie,

die ihre Ansprüche hat.

Ich hatte einfach nicht mehr die Zeit.

Dann war da noch die sich Stück-für-Stück auflösende Amiga-Szene.

Mir war von Anfang an klar, dass DA kein Mega-Seller werden wird.

Immerhin habe ich in das Programm sehr viel Zeit und Wissen hineingesteckt - quasi mein persönliches Meisterstück -,

aber man muss akzeptieren, dass irgendwann Schluss ist.

Es lag nahe, das Programm zur Freeware zu machen.

Der Quellcode liegt heute auf dem Aminet.


Fiel Dir dieser Schritt leicht oder was war das für ein Gefühl deine jahrelange Arbeit plötzlich frei zu geben

bzw. den Source Code zu veröffentlichen?

Wie oben schon gesagt, der Schritt war leicht, fast schon eine natürliche Entwicklung.

Mit der Freigabe des Codes hoffte ich, dass sich jemand des Programms annimmt und es vielleicht weiterentwickelt.

Aber offenbar ist Astronomie ein so spezielles Fach, dass sich in all den Jahren niemand bei mir gemeldet und Interesse bekundet hat.

Naja, einmal kam jemand von der MorphOS-Seite her, aber ich hatte da nie mehr was gehört.

Vielleicht liegt es aber auch an der recht komplexen Mathematik, die hinter dem Projekt steckt,

so dass man neben Programmierkenntnissen auch Mathekenntnisse auf schon universitärem Level braucht,

um die Algorithmen zu verstehen.


Heute kann sich jeder interessierte User das Programm als ISO herunterladen u.a. auch in der Amiga Arena.

Läst sich DA III heute im Jahr 2015 noch Sinnvoll nutzen?

Wenn ja, welche Einschränkungen gibt es?

Prinzipiell lässt sich DA auch heute noch sehr gut nutzen.

Alle Berechnungen sind sehr präzise und haben eine Gültigkeit von ca. 3000 Jahre in die Zukunft bzw. Vergangenheit.

Lediglich die Internet-Resourcen funktionieren aufgrund geänderter Interfaces oder URLs nicht mehr.


10 Jahre sind mittlerweile vergangen, erhältst Du noch Anfragen zu DA III aus  der Amiga Community oder anderen Usern?

Nein.


Was würdest Du Dir heute für DA III wünschen bez. dem Amiga?

Eigentlich nichts mehr.

Beides ist für mich Vergangenheit und eine schöne Erinnerung.


Wenn Du heute an Deine Anfangszeiten mit dem Amiga zurück denkst, was ist Dir besonders in Erinnerung geblieben?

Die Faszination, welches damals (1987) dieser Computer auf mich ausübte.

Ich bin schon Ende der 70er mit den damaligen PETs in Berührung gekommen

und war von 1983 bis 1989 stolzer Besitzer eines C64 (und später eines C128).

Aber der Amiga sprengte damals die Möglichkeiten, was Sound und Grafik betraf und lies die damaligen IBM-PCs hinter sich.

Für mich als damals schon aktiver Programmierer hat der Amiga ein gewaltiges Tor in eine neue Welt geöffnet.


Du hast als einer der letzten und wenigen Entwickler sehr lange Deine Software gepflegt,

bereust Du es manchmal nicht, viel früher den "Absprung" gemacht zu haben?

Nein.

Bei mir stand nie der kommerzielle Erfolg im Vordergrund.

DA ist aus persönlichem Interesse entstanden. 

Ich hatte mich schon als junger Schüler sehr für Astronomie interessiert

und bereits auf dem C128 die ersten Gehversuche mit berechneten Planeten- und Sternpositionen

und deren grafischer Darstellung gemacht.

Die Weiterentwicklung auf dem Amiga war also nur konsequent.

Der Spaß-Faktor stand da immer im Vordergrund.

Hätte ich ein Auge auf die kommerzielle Seite geworfen, wäre DA möglicherweise nie entstanden,

da das Publikum für ein solches Produkt doch zu klein ist.


Was würdest Du aus heutiger Sicht, vielleicht anders machen als früher?

Nichts.


Was hat der Amiga für Dich ausgezeichnet?

Seine (damals) überragenden Fähigkeiten im Bereich Sound und Grafik, als auch die Einfachheit,

mit der der Amiga programmiert werden konnte.


Was waren die Vor- und Nachteile vom Amiga(OS)?

Ein besonderer Vorteil war die äußerst kluge Programmierung des AmigaOS und dessen Erweiterbarkeit mit dem

Library-Konzept sowie die sehr gut dokumentierten Funktionen des OS im SDK

und natürlich das damals unübertroffene Multi-Tasking.

Leider hätte die Hardware-Entwicklung schon zu Beginn der 90er konsequent auf ein modulares System

- so wie man es heute kennt - setzen sollen.

Statt dessen kam mit AGA und immer noch einem 68020-CPU eine damals schon veraltete Hardware mit dem A1200/4000 heraus. Entstanden ist dann leider ein Computer, bei dem Software-Entwickler zu sehr auf die Hardware Rücksicht nehmen mussten

(PPC-Modus, RTG-Modus etc).


Hast Du nie mit dem Gedanken gespielt, DA III für Windows zu entwickeln bez. umzusetzen?

Oh doch.

Als Windows 98 rauskam, hatte ich mir damals MS Visual Studio zugelegt und versucht,

das Programm auf Windows zu portieren.

Doch Windows hat eine ganz andere Art der Programmierung als der Amiga,

mit der ich nicht zurecht kam.

Außerdem fehlte es mir auch an der benötigten Zeit.


Besitzt Du noch einen Amiga, wenn ja welches Modell bez. welches Modell hast Du besessen? 

Ich habe vor 10 Jahren meinen damaligen A4000T mit einer Cyberstorm PPC und Grafikkarte verkauft.

Dafür benutze ich doch WinUAE, was mir den wohl schnellsten 68k-Amiga aller Zeiten beschert.


Was hätte Deiner Meinung nach passieren müssen, 

damit der Amiga nach dem Ende von Commodore 1994 noch eine Chance, neben dem PC gehabt hätte?

Wie oben schon gesagt, hätte man schon zu Beginn der 90er Jahre auf ein modulares System setzen sollen.

Statt dessen hat sich der Amiga zu einem Flickenteppich an Hardware entwickelt und man hat immer versucht,

kompatibel zum bestehenden OS 3.0/AGA zu bleiben.

In meinen Augen ein fataler Fehler.

Es gab schon zu Beginn der 90er entsprechende VGA-Karten mit einheitlicher Grafik-Ansprache,

so dass Programme im PC-Bereich über viele Jahre kompatibel blieben.

Nicht so beim Amiga, wo die meisten Programme für andere Hardware erst neu kompiliert werden mussten.

Auch: Während PCs mit den Expansionsports (PCI) schon damals die Möglichkeiten zur problemlosen Erweiterung hatten,

gab es diese Möglichkeit für den Amiga erst dann, als der praktisch schon tot war.

Commodore hat sich zu sehr auf dem Erfolg der ersten Amigas (A500/1000/2000) ausgeruht

und die weitere Entwicklung zu Beginn der 90er schlichtweg verschlafen.

Apple z.B. hat es da anders und richtig gemacht.


Verfolgst Du heute noch die Geschehnisse Rund um den Amiga?

Ab und an ja.

Ich schaue mal ins Aminet rein, was sich da so tut oder lese die Amiga-News.


Hast Du in irgendeiner Form, heute noch etwas mit dem Amiga zu tun?

Direkt mit Amiga... nein.

Aber dafür verfolge ich intensiv die Entwicklung von WinUAE.

Seit WinUAE 3.0.0 habe ich mir sogar extra wegen der PPC-Emulation das OS 4.1FE besorgt und erfolgreich zum Laufen gebracht,

auch wenn es aufgrund der starken Beschränkungen der Emulation praktisch nicht benutzbar ist.

Leider sind Hardware-basierte Amiga PPC für OS 4 viel zu teuer, auch wenn das Konzept recht interessant ist.

Aber es freut mich zu sehen, dass der Amiga auch unter OS 4 immer noch präsent ist, wenn auch nur unter Liebhabern.


Deine letzten Worte an die Leser?

Live long and prosper (RIP Leonard Nimoy).


 © Amiga Arena  07/2015